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Frankreich Deutschland 1870-1871 Der krieg, die pariser kommune, die erinnerungen  Ausstellung vom 13. April bis 30. Juli 2017
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Ausstellung vom 13. April bis 30. Juli 2017 Frankreich Deutschland
1870-1871
Der krieg, die pariser kommune, die erinnerungen 
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 Édouard Manet
Die Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko, 1868 (Ausschnitt)
Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée, Dist RMN-GP / Pascal Segrette

Rundgang

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/1871 ist ein einschneidendes Ereignis im deutsch-französischen Verhältnis, mit dem damals auch das Schicksal ganz Europas verknüpft ist. Tatsächlich beendet dieser Krieg das bestehende politische Gleichgewicht im überwiegend durch Diplomatie geleiteten Konzert der europäischen Mächte sowie die „Erholung Europas“, dessen Grundgedanken – in einer anderen Form – erst nach 1945 wiederbelebt werden.
In jenem Konflikt stehen sich eine seit Jahrhunderten geeinte, durch alle politischen Systeme hindurch konsolidierte Nation (Frankreich) und ein aus jüngeren Staaten bestehendes Land, dessen Einheit sich noch nicht zu Gänze vollzogen hat (Deutschland), gegenüber.

In Frankreich münden die bereits bestehenden sozialen Spannungen und ein durch die Niederlage entflammter Patriotismus – ungeachtet der Ausrufung der Republik – in die Pariser Kommune und in einen Bürgerkrieg. In Deutschland hingegen schafft der siegreiche Krieg die Grundlage für die Einheit der Nation, die in der Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles bildhaft zum Ausdruck kommt. Anhand der vielen unterschiedlichen Kriegserinnerungen auf französischer wie deutscher Seite, seien sie nun offizieller oder persönlicher Art, lassen sich die langfristigen Folgen des Konflikts auf die Gesellschaften nachvollziehen.

Die Ereignisse sind in größere zeitliche Zusammenhänge eingebunden, deren Ursachen und Folgen sie verdeutlichen: der eine reicht von 1864, dem Jahr des ersten deutschen Einigungskriegs, bis 1875 mit der sogenannte „Krieg-in-Sicht“-Krise; der andere von den Befreiungskriegen (1813–1815) über den Wiener Kongress (1815) bis zu den Versailler Verträgen von 1919, die das Ende des Ersten Weltkriegs besiegeln.

Abkürzung

 Adler des 21. Linieninfanterieregiments, Modell von 1860 Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée, Dist RMN-GP / Pascal Segrette
 Emil Hünten
Die Schlacht bei Königgrätz, um 1885 (Ausschnitt)
Stiftung Deutsches Historisches Museum, Berlin
© Deutsches Historisches Museum, Berlin/ S. Ahlers

Frankreich und die deutschen staaten : vom frieden in den krieg

Im Ringen mit Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland wird der Einfluss des Königreichs Preußen mit dem Antritt des neuen preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck 1862 immer größer. Zur Festigung dieser Position und um die deutschen Staaten um Preußen zu einigen, führt er Krieg: zunächst 1864/1865 gegen Dänemark und 1866 im sogenannten Deutschen Krieg gegen Österreich. Vor allem der Sieg gegen Österreich bedeutet das Ende der großdeutschen Idee unter Einbeziehung Österreichs zugunsten einer kleindeutschen Lösung, die 1867 in die Gründung des Norddeutschen Bundes mündet.
In Frankreich sieht sich das Zweite Kaiserreich trotz liberaler Reformen mit einer starken politischen Opposition und heftigen sozialen Spannungen konfrontiert. Gleichzeitig scheitern Pläne für eine Militärreform. Eine ambitionierte, aber ambivalente Außenpolitik, die zunächst auf der Krim, dann in Italien viele Menschenleben fordert, die gescheiterte Intervention in Mexiko sowie diverse diplomatische Rückschläge gegenüber Preußen tragen zur weiteren Schwächung und Isolierung des Kaiserreichs bei. Bestärkt durch seinen Generalstab und durch Zureden von Kriegsbefürwortern erklärt der gesundheitlich angeschlagene Kaiser Napoleon III. trotz der wenig günstigen Ausgangslage Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg.
 Apothekenkasten Napoleons III Palais de Compiègne
© Palais de Compiègne, Dist RMN-GP / Thierry Ollivier
 Anton Von Wrener
Graf Moltke in seinem Arbeitszimmer in Versailles, 1872
Hamburger Kunsthalle, Hamburg, Vermächtnis Beer Carl Heine, 1882
© BPK, Berlin, Dist. RMN-Grand Palais / Elke Walford

Die zwei phasen des krieges

Der Krieg zwischen Frankreich und den deutschen Staaten ist von mehreren militärischen wie politischen Zäsuren gekennzeichnet, da der Sturz des französischen Kaiserreichs zur Enttäuschung der deutschen Seite nicht zum unmittelbaren Ende des Konflikts führt.

Bereits im ersten Kriegsmonat kommt es zu für beide Kriegsteilnehmer denkwürdigen Ereignissen: der Angriff bei Reichshoffen, die Schlacht von Gravelotte oder – je nach Sichtweise – das Desaster bzw. der Triumph von Sedan. Beide Seiten sind auf ganzer Linie überrascht: die deutsche Armee über die raschen Erfolge und die Unzulänglichkeiten der französischen Armee; die Franzosen über die Schnelligkeit des deutschen Aufmarschs und die Aneinanderreihung der Niederlagen.

Die Kapitulation Napoleons III. führt am 4. September 1870 zum Sturz des Zweiten Kaiserreichs und zur Konstituierung der Regierung der nationalen Verteidigung, die eine Fortführung des Krieges beschließt. Daraufhin entscheidet der preußische Generalstab, Paris zu belagern und unter Beschuss zu nehmen, um die Regierung zur Kapitulation zu zwingen und den Krieg zu beenden.

Zur Befreiung der französischen Hauptstadt organisiert die republikanische Regierung im ganzen Land Ersatzheere aus Bataillonen der französischen Mobilgarde, Freiwilligen und Freischärlern. Doch aufgrund mangelnder Führung, fehlender Ausrüstung und nicht ausreichender militärischer Ausbildung gelingt es den Armeen der nationalen Verteidigung trotz der patriotischen Euphorie nicht, den Kriegsverlauf zu wenden.
 Fahne der minderjährigen Freiwilligen von 1870–1871 Paris, musée de l’Armée
© Paris, musée de l’Armée, Dist. RMN-GP / Emilie Cambier
 Uniform eines Leutnants im Generalstab der Freiwilligenlegion von Garibaldi Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée, Dist. RMN-GP / Pascal Segrette
 Appert Eugène Ernest
Prussiens, place de la Concorde, Paris, mars 1871
Paris, musée de l'Armée
© Paris, musée de l’Armée, Dist. RMN-GP / Pascal Segrette

Der krieg im alltag

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/1871 gilt im Allgemeinen als Krieg des 19. Jahrhunderts, symbolisiert durch die „unnützen“ Attacken der Kürassiere in ihren glänzenden Uniformen. In Wirklichkeit ist er aber wesentlich finsterer und moderner.

Abgesehen davon wird der Krieg von den Deutschen anders geführt und wahrgenommen – sie werden zwar angegriffen, führen die Kämpfe aber nicht auf eigenem Territorium – als von den Franzosen, deren Zivilbevölkerung direkt von den Kampfhandlungen betroffen ist. Beide Armeen werfen sich gegenseitig Gräueltaten vor: durch Franctireurs (Freischärler) und Turkos (algerische und tunesische Schützenregimenter) aus Sicht der Deutschen bzw. durch Ulanen und marodierende Truppen aus Sicht der Franzosen.

Bilder und Vorfälle, wie sie das kollektive Gedächtnis mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg in Verbindung bringt, ereignen sich bereits in diesem Krieg: Straßburg, Belfort und Paris werden bombardiert und erleiden teilweise große Schäden; die Zivilbevölkerung muss Schutz in Kellern finden; Übergriffe auf die Bevölkerung werden von der Presse aufgegriffen und beeinflussen die öffentliche Meinung im Ausland; die Zahl der französischen Gefangenen (383.791) übersteigt alle militärischen wie materiellen Einschätzungen des preußischen Generalstabs und wirft die Frage nach ihrer Behandlung auf; Frankreich, dessen Territorium während des Krieges zu über einem Drittel erobert ist, bleibt bis zur vollständigen Ableistung der Reparationszahlungen im September 1873 besetzt.
 Schloss Versailles. Ludwig XIII. Galerie (weihnachtlich geschmückter Krankensaal) am 25. Dezember 1870. Friedrich Bruckmann Friedrich Bruckmann Verlag, 1870
Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée, Dist. RMN-GP / Pascal Segrette
 Beinschiene aus Draht aus der Ambulanz der Madame Savalle in Mars-La-Tour, 1870 Gravelotte, musée départemental de la Guerre de 1870 et de l’Annexion
© Studio Doncourt

Waffenstillstand und kommune

Ende Januar 1871 ist Frankreich nicht mehr in der Lage, den Krieg fortzuführen, und ein sofortiger Waffenstillstand wird am 26. Januar unterzeichnet. Darin werden auch umgehende Wahlen zur Bildung einer Regierung festgeschrieben, die zu offiziellen Friedensverhandlungen mit dem Deutschen Reich legitimiert ist. Die Verhandlungen werden am 10. Mai 1871 mit der Unterzeichnung des Vertrags von Frankfurt/Main abgeschlossen. Das Deutsche Reich annektiert den Grossteil des Elsass und einen Teil von Lothringen und verlangt Reparationszahlungen in Höhe von 5 Milliarden Goldfranken sowie die Abhaltung einer preußischen Truppenparade in Paris.

Gleichzeitig fordert ab dem 22. Januar 1871 die Pariser Bevölkerung, die durch die Belagerung erschöpft ist, sich aber gegen die Niederlage wehrt und sich von der Regierung verraten fühlt, die Wahl einer Kommune ein. Schließlich ist die Stadt nicht von den deutschen Truppen eingenommen worden, weshalb die „Capitulards“ heftig von der Bevölkerung angegangen werden. Der Aufstand vom 18. März führt zur Wahl eines Kommunerats und zur Proklamation der Pariser Kommune. Zu ähnlichen Situationen kommt es auch in Lyon, Marseille oder Toulouse.

Die Wut der Kommunarden auf die „Capitulards“ ist mindestens so groß wie die Empörung der Regierung, die sich in Versailles eingerichtet hat, über die Aufständischen. Das Vorgehen gegen die Kommunarden mündet in einen Bürgerkrieg. Die zweite Belagerung von Paris vom 3. April bis 28. Mai 1871 wird durch Bismarck ermöglicht, der zwar nicht militärisch einschreitet, die Intervention französischer Regierungstruppen aber erleichtert. Es stehen sich zwei Armeen aus mehreren zehntausend Kombattanten gegenüber. Nach zwei Monaten schließlich ist die Kommune niedergeschlagen; die Repressionen der Regierung gegen die Kommunarden sind schrecklich: Nach der Blutigen Woche erwarten die Aufständischen Exekutionen oder schwere Strafen.
 Kommunarden-Mantel Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée, Dist. RMN-GP / Emilie Cambier
 «Dass sich alle guten Bürger erheben!», 1871 Musée de l’Armée, Paris
© Paris, musée de l’Armée, Dist RMN-GP / Pascal Segrette
 Gabriel Blaise
Pont de Saint-Côme sur la Loire. Vue des arches brisées rive droite
Paris, musée de l’Armée, don d’Emmanuel Boëlle, 1987
© Paris, musée de l’Armée, Dist. RMN-Grand Palais / Pascal Segrette

Nach dem krieg

Der Krieg bedeutet den Beginn eines neuen Zeitalters in Politik, Diplomatie und Militärwesen. 1871 erhalten Frankreich und Deutschland neue Regierungsformen, während in Italien durch den Abzug der französischen Truppen aus Rom die Einigung der Nation vollendet werden kann.

Trotz territorialer Verluste und der Ableistung von Kriegsentschädigungen erholt sich Frankreich schnell und verfolgt mit der Weiterentwicklung seines Kolonialreichs neue Ziele. Angesichts der Niederlage wird eine neue Militärpolitik eingeschlagen, die zu einer grundlegenden Reform der Armeeorganisation und -ausstattung führt. In der Frage der Wiedererlangung von Elsass-Lothringen entwickelt sich eine revisionistische Haltung. In Deutschland wirken Reichsgründung und Kriegsentschädigungen als Motor für die bereits aufstrebende Wirtschaft, die vielen als beispielhaftes Modell gilt. Während in Frankreich in bestimmten Kreisen eine antimilitaristische Gesinnung zutage tritt, entwickelt sich im Deutschen Reich, insbesondere im Bürgertum, eine Faszination für alles Militärische.

Aufgrund des komplizierten diplomatischen Spiels in Europa bleibt der Krieg 1870/1871 auf Frankreich und Deutschland begrenzt. 1875 jedoch lässt eine kurze diplomatische Krise, die sogenannte "Krieg-in-Sicht"- Krise, eine neue politisch-strategische Konstellation erkennen, denn sowohl Großbritannien als auch Russland sind bereit, Frankreich zu unterstützen, um ein aus ihrer Sicht mittlerweile zu mächtiges Deutsches Reich in die Schranken zu weisen. Daraufhin schwenkt Bismarck auf eine friedliche Stabilitätspolitik in Europa ein.
 Jean-Jacques Henner
Das Elsass wartet, 1871
Schenkung Familie Pierre Brault, 1972
Musée national Jean-Jacques Henner, Paris
© Muée Jean-Jacques Henner, Dist RMN-GP / Franck Raux
 Königlich-preußisches Feld-Photographie-Detachement
Empfangssaal mit der Statue „Der Tod“, Schloss Saint-Cloud. (Bilder aus dem Kriegsleben vor Paris und Strassburg während des Feldzuges 1870/71. Heft V, Tafel 4)
J.B Obernetter (Verlag), 1870
Stiftung Deutsches Historisches Museum, Berlin
© Deutsches Historisches Museum, Berlin

Erinnerungen an krieg und kommune

Der Krieg und seine politisch-diplomatischen Folgen haben nachhaltigen Einfluss auf das Kunstschaffen und das kulturelle Leben in Europa. In Frankreich und Deutschland fließt die Erinnerung an den Krieg bald in Architektur und Stadtplanung ein: Straßennamen, Monumente und Denkmäler erinnern in beiden Ländern an den Krieg. Daneben gründen sich Veteranenverbände, die zusammen mit öffentlichen Stellen und der Kirche die Erinnerung organisieren und am Leben erhalten.

In Frankreich trägt die Erinnerung an den Krieg trotz Invasion und Niederlage zu einer republikanischen Lesart der nationalen Geschichte bei und nimmt mit Panoramen- und Dekormalerei oder monumentalen Skulpturen spektakuläre Formen an, die den Mut der Besiegten in den Vordergrund rücken. Die Erinnerung an die Kommune wiederum entwickelt sich nach der Amnestie 1880 und setzt sich, angetrieben durch die Zensur und paradoxerweise gestärkt durch Kommunegegner, in bescheideneren, wenngleich zur Verbreitung besser geeigneten Formen um: Bücher, Lieder, Drucke, Fotografien usw. Daneben führt die Zerstörung von kulturell bedeutenden Gebäuden durch Krieg und Kommune zu lebhaften Debatten: Sollen die Ruinen jenes annus horribilis bewahrt oder beseitigt werden, zerstörte Gebäude wieder aufgebaut werden oder Platz für neue machen?

Im Deutschen Reich manifestiert sich die Begeisterung über den Sieg in der Historienmalerei, der Errichtung von Statuen und Denkmälern für Kaiser Wilhelm I., Bismarck oder Moltke sowie in Schlachtenpanoramen. Gleichzeitig zeichnen Historiker und Journalisten die Geschichte der Einigungskriege nach, die bald als "Gründungstriptychon" dargestellt werden.
 Alphonse de Neuville
Die letzten Patronen, 1873
Bazeilles, Maison de la Dernière Cartouche
© RMN-GP / Hervé Lewandowski
 Antonin Mercié
Gloria Victis, um 1872
Paris, musée d’Orsay, RF 1835
Schenkung Ernest May, 1924, 1986 dem Musée d’Orsay zugewiesen
© RMN-Grand Palais (musée d’Orsay) / Hervé Lewandowski